Das Kirchenjahr

TEIL 1

Immer, wenn ein neues Jahr beginnt, liegt da ein neuer Kalender. Was tragen Sie zuerst ein? Den Urlaub? Oder die Geburtstage? Den Hochzeitstag,  vielleicht auch den Tag, an dem jemand starb, der mir wichtig war? So bekommt das Jahr seinen Rhythmus - in den Jahreszeiten, in den Arbeits- und Ferienzeiten, in den Festen und im Alltag. All das hilft, dass nicht jeder Tag wie der andere ist, sondern dass wir auf bestimmte Tage und Zeiten hin leben können.
Für die Kirche beginnt das neue Jahr bereits am 1. Advent.  das Kirchenjahr mit allen wiederkehrenden Festen erinnert und schafft Platz: Es erinnert an die wichtigsten Geschichten und Gedanken des christlichen Glaubens und schafft Ort und Zeit für Freude und Nachdenklichkeit, für Feiern und Fasten. Genau das war übrigens der Advent früher: eine Zeit des Fastens und der Besinnung. Während wir heute in der Adventszeit so viele Plätzchen essen, dass wir zu Weihnachten keine mehr mögen, wurde damals gefastet. Der Advent war wie die Passionszeit vor Ostern: eine Vorbereitungsphase, Gelegenheit zum Nachdenken. Das unterscheidet das Kirchenjahr von unserem weltlichen Jahr: Vorbereitungszeiten sind ruhige Zeiten. Nicht hektisches Planen und Organisieren stehen im Mittelpunkt, sondern Zeit zum Nachdenken.   Advent heißt Ankunft - auf die Ankunft Jesu bereiten wir uns vor. Wer da kommt, das erzählt die Geschichte vom Einzug Jesu in Jerusalem: Ein König, aber einer, der anders ist, als wir das von weltlichen Herrschern kennen.
(1. Advent). Der da kommt, der wird einmal diese ganze Welt verändern, damit sie so wird, wie Gott es wollte - darum denken wir auch daran, dass Jesus versprochen hat wiederzukommen, und dass dann alles anders wird. (2. Advent) Zunächst einmal aber sollen wir anders werden und deshalb hören wir  von Johannes dem Täufer, der vor Jesus gepredigt hat und die Menschen aufrüttelte (3. Advent) und schließlich ist Jesu Ankunft ein Grund zur Freude - so, wie Maria sich auf ihr Kind freute (4. Advent).
Allmählich entsteht Vorfreude - Weihnachten kommt. Für viele ist es das wichtigste Fest im Jahr, für manche das einzige christliche Fest, das sie noch feiern. Man kann sich christlichen Glauben eigentlich gar nicht ohne Weihnachten vorstellen - obwohl die ersten Christen 300 Jahre lang dieses Fest gar nicht kannten. Die Geburt Jesu wurde nicht gefeiert. Und als man begann, sie zu feiern, da nahmen die Christen Festtage, die sowieso schon da waren. Der 25. Dezember etwa war der Geburtstag des unbesiegbaren Sonnengottes in Rom, ein Feiertag, den der Kaiser Marc Aurel eingeführt hatte. Geburt, Sonne, Licht - das passte gut - und so wurde dies im Westen zum Christfest. Bei den Germanen waren diese Tage um die Wintersonnenwende herum die, die von Priestern besonders geweiht wurden, um die Dämonen der Finsternis zu vertreiben - da kommt dann der Name Weihnachten her - eine geweihte, eine besondere Nacht.
Weihnachten ist übrigens wirklich am 25. Dezember. Der 24.12., der Heilige Abend, der für uns zum wichtigsten Teil des Festes wurde, ist nur der Vorabend. Der Gottesdienst gehörte eigentlich in die Nacht, aber von Martin Luther wissen wir, dass er zu viel buntes Treiben in diesen Nächten fürchtete (was immer das alles gewesen sein mag ...) und deshalb diesen Gottesdienst auf den frühen Abend vorzog. Heute gibt es beides: den Gottesdienst am Nachmittag oder am Abend und den in der Nacht.
Spätestens da sitzen dann viele Menschen mit dem Gefühl: Jetzt ist alles vorbei - das war Weihnachten. Dabei geht es jetzt eigentlich erst richtig los.  Der Anfang unseres neuen Jahres mit Silvester und Neujahr fällt genau hinein in die Weihnachtszeit - und die reicht mindestens bis zum 6. Januar. Dann nämlich feiern die östlichen Kirchen Weihnachten - und sie feiern weniger die Geburt als vielmehr die ersten Ereignisse aus dem Leben Jesu; die Dinge, an denen Menschen erkennen können, wer er ist: Die drei Weisen (auch heilige drei Könige genannt) - sie verehren ihn wie einen König.
Und als Johannes ihn im Jordan tauft, da lässt der Heilige Geist die Stimme Gottes hören: Dies ist mein geliebter Sohn.
Epiphanias heißt dieses Fest - Erscheinung, weil Jesus auf Erden erschienen ist. Die Sonntage nach diesem Fest heißen 1. Sonntag nach Epiphanias, 2. Sonntag nach Epiphanias und so weiter - und wie weit? Das hängt davon ab, wann Ostern gefeiert wird. So kann es zwei bis fünf Sonntage nach Epiphanias geben, immer aber den letzten Sonntag , an dem dann an die Verklärung Jesu erinnert wird, als Jesus mit einigen Freunden auf einem Berg ist und sie wieder die Stimme Gottes hören: Dies ist mein Sohn - folgt ihm nach. Übrigens: Wer nur ungern schon am 6. Januar den Weihnachtsschmuck wegräumt, kann ihn mit gutem Grund bis zum 2. Februar in der Wohnung lassen. Dann wurde früher nämlich Lichtmess gefeiert. 


TEIL 2

Die letzten Weihnachtsbäume sind nun vermutlich entsorgt. Das Ende der Weihnachtszeit war früher am 2. Februar. Da feierte man Lichtmess - eine Prozession mit vielen Kerzen und Licht zur Erinnerung daran, dass Maria und Josef ihren Sohn nach 40 Tagen in den Tempel brachten. Auch dort fand sich jemand, der ihn als Sohn Gottes erkannte: Simeon, der sein Leben lang darauf gewartet hatte (Lukas 2,25-35).           
Im evangelischen Jahr der Kirche beginnt jetzt die Zeit der schwierigen Namen:
Septuagesimä (70 Tage bis Ostern), Sexagesimä (60 Tage bis Ostern) und Estomihi: die drei Sonntage vor der eigentlichen Fasten- und Passionszeit. Am Sonntag Estomihi erscheint in den Lesungen zum ersten Mal die Ankündigung Jesu, dass er leiden und sterben müsse. Der Sonntag hat seinen Namen - wie alle, die nach ihm kommen - von den ersten Worten des Psalms, der zu diesem Sonntag gehört: Sei mir (esto mihi) ein starker Fels ... (Psalm 31,3b).
Eigentlich beginnt die Passionszeit dann aber mit dem Aschermittwoch, an dem die Gläubigen sich früher Asche aufs Haupt streuten (Asche auf mein Haupt, sagen wir heute manchmal noch) als Zeichen der Buße und der Reue. Jeder Sonntag im Kirchenjahr hat ein Thema, eine Überschrift, zu jedem Sonntag gehört ein Text aus den Evangelien, gehören feste andere biblische Stellen und jeweils ein Psalm. Wenn diese Psalmen früher gesungen wurden dann gab es dazu einen Vers, der zu Beginn und am Ende angestimmt wurde, von seinen lateinischen Worten leiten sich die Namen der Sonntage ab: Invokavit: Er ruft (invocavit) mich an, darum will ich ihn erhören.(Psalm 91,15) Reminiszere: Gedenke (reminiscere), Herr, an deine Barmherzigkeit.(Psalm 25,6) Okuli: Meine Augen (oculi) sehen stets auf den Herrn. (Psalm 25,15) Lätare: Freut euch (laetare) mit Jerusalem. (Psalm 66,10) Judika: Schaffe mir Recht (Judica me), Gott.(Psalm 43,1)
Mit dem Palmsonntag beginnt die Heilige Woche, die Karwoche. Kara, das hieß im Althochdeutschen Klage, Trauer – und davon ist diese Woche geprägt. Sie beginnt mit der Erinnerung an den Einzug Jesu in Jerusalem, bei dem die Menschen ihm mit Palmzweigen zujubelten. Am Gründonnerstag denken wir in Abendgottesdiensten an Jesu letztes Mahl mit seinen Jüngern, bei dem er die Worte sagte, die wir in unseren Abendmahlsfeiern stets wiederholen.  Grün-Donnerstag, das hat nichts mit der Farbe zu tun, sondern kommt ursprünglich von „greinen, weinen“. Und gemeint waren die Büßer, diejenigen, die zu Beginn der Fastenzeit, der Bußzeit aus der Kirche hinausgetrieben wurden. Die, die nicht ihrem Glauben entsprechend gelebt hatten, mussten Buße tun und das hieß, dass sie zu Beginn dieser Zeit aus der Gemeinde vertrieben wurden und nicht an der Abendmahlsfeier, sondern nur am Wortgottesdienst teilnehmen durften. Am Gründonnerstag wurden sie dann wieder aufgenommen.
In unseren Gemeinden wird das Abendmahl am Karfreitag gefeiert. Dabei erinnern wir uns besonders daran, dass uns durch Tod und Auferstehung Jesu die Vergebung Gottes zugesprochen wird. Die Erinnerung an den Kreuzestod Jesu am Karfreitag, wurde lange Zeit in der Kirche nicht mit Gottesdiensten begangen. Es wurde gefastet, wie an jedem Freitag, an diesem vielleicht besonders ernsthaft. In der Jerusalemer Gemeinde bildete sich ab dem 4. Jahrhundert dann die Tradition heraus, in einer Prozession an Jesu letzten Weg und an seinen Tod zu erinnern. Und an diese Prozession schloss sich allmählich ein Wortgottesdienst mit Lesungen und Gebeten an. Für die Protestanten ist der Karfreitagsgottesdienst besonders wichtig – wird hier doch daran gedacht, wie viel Gott investiert hat, wie viel Jesus bereit war einzusetzen für die Menschen, damit sie die Liebe und Nähe Gottes erkennen können. Karfreitag ohne Ostern bleibt allerdings leer – aber Ostern ohne Karfreitag vergisst, dass der Weg zur Auferstehung auch für Jesus durch den Tod hindurch führen musste.
Dann ist es endlich so weit: wir dürfen Ostern feiern, den Mittelpunkt, das Zentrum, das wichtigste christliche Fest. Das Wichtigste? Ist das nicht Weihnachten? Darüber mehr im nächsten Gemeindebrief!


TEIL 3

Bei uns hier ist das so: Weihnachten stellt alles in den Schatten – und Ostern läuft immer hinterher. Dabei gleicht sich vieles an: Bäume werden draußen geschmückt, allerdings mit Plastikeiern und Osterkalender lassen uns die Tage zählen. Doch die Reihenfolge ist eigentlich anders herum: ohne Ostern, ohne Jesu Auferstehung hätten wir überhaupt keinen Grund Weihnachten zu feiern. Nur: Ostern ist so viel schwieriger zu begreifen. Die Geburt eines Kindes – das kennen wir, da können wir manches nachempfinden – die Auferweckung Jesu, die sprengt alles, was wir uns vorzustellen vermögen. Das kennen wir nicht. Dem können wir uns nur jedes Jahr versuchen anzunähern. Ostern ist das älteste Fest, vermutlich das erste, das die Christen im Ablauf eines Jahres überhaupt gefeiert haben. Zuerst war jeder Sonntag Ostern, an jedem Sonntag wurde die Auferweckung Jesu gefeiert – und dann entstand, noch angelehnt an das jüdische Passahfest, die jährliche Osterfeier. Seit dem Konzil von Nicäa 325 einigten sich dann die meisten Kirchen auf einen anderen Termin: Immer der erste Sonntag nach dem ersten Vollmond nach Frühlingsanfang: das war das Datum für das Osterfest. Gefeiert wurde zu Beginn vor allem in der Nacht – es begann mit Lesungen aus dem Alten Testament, mit Hinweisen darauf, dass Gott befreit, dass Gott Leben schenkt, gepriesen wurde das Licht, das in die Kirche einzog – Bild für die Auferstehung, für das Neue, das da begann. Danach wurde getauft – Ostern war lange Zeit der einzige Tauftermin im Jahr. Hier begann das neue Leben. Nach den Taufen schlossen sich die Lesungen aus dem Neuen Testament und die Feier des Abendmahls an. Der Osterhase tauchte erst im 17. Jahrhundert auf, zu Ostern kam er wie die Eier als Zeichen der Fruchtbarkeit – und wenn im Elsass das Osterbrot mit dem Ei darin gebacken wurde, wurde der Hase darauf abgebildet – so wurde er zum Überbringer der Eier – vermutlich. In anderen Regionen gab es dafür andere Tiere, den Fuchs oder den Kuckuck etwa. Und in Australien gilt der Hase als Schädling – da muss der Bilby für diese Aufgabe herhalten.
Ostern dauert 50 Tage - bis Pfingsten. Die zu Ostern Getauften trugen eine Woche lang ihre weißen Taufgewänder, die sie erst am ersten Sonntag danach wieder ablegten – deshalb der weiße Sonntag, an dem viele katholische Gemeinden die Erstkommunion der Kinder feiern. Quasimodogeniti heißt er: wie die neugeborenen Kinder. Miserikordias Domini ist der nächste Sonntag: das Erbarmen Gottes – an diesem Tag spielt das Bild vom guten Hirten eine große Rolle. Und dann noch einmal alle Osterfreude: Jubilate (jauchzet, jubelt) und Kantate (singt). Betet, Rogate heißt dann der 5. Sonntag nach Ostern. Am Donnerstag danach feiern wir die Himmelfahrt Jesu, ein neuer Abschied und ein neuer Anfang: Jetzt tragen die  Jünger und Jüngerinnen die Botschaft von der Auferweckung weiter. Dass sie dabei nicht allein bleiben, das hatte Jesus ihnen versprochen. Am Sonntag Exaudi (Höre, Herr) geht es um die Ankündigung des Heiligen Geistes, der Kraft Gottes, auf die die Freunde und Freundinnen Jesu warteten.
Und dann ist Pfingsten – der Lebensatem Gottes, der Sturm (das hebräische Wort ruach, heißt eigentlich Atem, Wind, Hauch oder Sturm) fegt die Angst der Jünger und Jüngerinnen, ihre Unentschlossenheit, ihre Trauer und Einsamkeit entschlossen weg. Sie singen, loben Gott, erzählen – und taufen – die Geschichte der Kirche beginnt. Deshalb ist Pfingsten so etwas wie der Geburtstag der Kirche. Regelmäßig und fast überall gefeiert wurde es ab dem Ende des 4. Jahrhunderts, fast so alt wie Weihnachten, aber sehr viel weniger bekannt. Dabei haben wir ihn oft so nötig – den langen Atem Gottes, wenn wir nach Ostern immer wieder neu den Weg zum neuen Leben suchen. Bei den Jüngern und Jüngerinnen Jesu jedenfalls reichte diese Gabe des Heiligen Geistes weit. Und doch war etwas anders als vorher, als Jesus bei ihnen da war. Sie mussten und wollten nun weitertragen, was sie von ihm gehört und mit ihm erlebt hatten. Die Geschichte der Kirche begann.
Auch im Kirchenjahr wird jetzt etwas anders als vorher. Das nächste Fest, eine Woche nach Pfingsten, ist das erste, zu dem es keine Geschichte zu erzählen gibt, das erste, das uns nicht erinnert an ein Ereignis aus dem Leben Jesu. Keine Geschichte, sondern ein Thema steht jetzt im Mittelpunkt. Jetzt geht es um das Thema der Christen überhaupt: Wie begegnet Gott uns denn, welche Wege nimmt Gott zu uns? Der christliche Glaube hat dafür drei Antworten: Gott begegnet uns als der Schöpfer, von dem wir alles Leben haben, auch unser eigenes, Jesus nannte ihn Vater, in der Bibel finden wir auch solche Namen wie: die Quelle, das Licht, die Burg, die Mutter. Gott begegnet uns in Jesus, seinem Sohn, in allem, was er tat und sagte, in seinem Tod und seiner Auferstehung. Und wir erfahren ihn als den Heiligen Geist, die Kraft, den Atem Gottes: Gott Vater, Sohn und Heiliger Geist – das ist die Trinität. Ein Gott, der verschiedene Wege nimmt, uns entgegen zu kommen – deshalb ist dieser Sonntag Trinitatis besonders ein Tag des Lobes. Gott zu loben, ihn anzubeten, Gott zu danken –darum geht es.


TEIL 4

Nach den vielen Festen – Weihnachten, Ostern und Pfingsten - in der ersten Hälfte des Kirchenjahres klingt es im zweiten Halbjahr langweilig: Der erste Sonntag nach Trinitatis, der zweite Sonntag nach Trinitatis, der dritte Sonntag nach Trinitatis, und schließlich: der 20., der 21., vielleicht sogar noch der 24., je nachdem wie früh im Jahr wir Ostern gefeiert haben. Aber dennoch hat jeder Sonntag sein eigenes Thema:
Der erste Sonntag nach Trinitatis redet von der Liebe Gottes und der Frage, auf wen wir hören, wenn von Gott gesprochen wird. Hören wir auf seine Propheten – und reden wir als seine Apostel (=Gesandten)? Der zweite Sonntag lädt uns ein, wir sind eingeladen bei Gott, Gott wartet auf uns wie der Vater auf seinen Sohn (im Gleichnis Lukas 15, Evangelium für den dritten Sonntag). Dabei sind wir alle Menschen, die diese Vergebung Gottes nötig haben – deshalb sollen wir nicht über andere richten (vierter Sonntag), sondern uns einfach immer wieder neu in Jesu Nachfolge rufen lassen wie Petrus von Jesus gerufen wurde (Lukas 5,1-11, fünfter Sonntag).
Der sechste Sonntag nach Trinitatis erinnert uns an unsere Taufe, nicht umsonst wird der Spruch dieser Woche oft als Taufspruch ausgewählt: „Fürchte dich nicht, ich habe dich erlöst, ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein“ (Jesaja 43,1). Und der siebte Sonntag nimmt das andere wichtige Zeichen unseres Glaubens auf: Das Abendmahl – wir haben einen Platz am Tisch Gottes. Ihr seid das Licht der Welt, wird uns am achten Sonntag zugesagt – und darin steckt auch gleichzeitig die Aufgabe: Lasst die Menschen an euren Taten, an eurem Leben erkennen, an wen ihr glaubt: Lebt als Kinder des Lichts (Epheser 5, 8b). Der neunte Sonntag schließlich spricht von den Gaben, die Gott uns anvertraut hat, von dem, was wir mitbekommen haben und was wir nutzen und einsetzen sollen. Dabei zählt nicht wie groß oder klein diese Gabe ist, noch wie viel wir davon haben, einfach nur, dass wir Gaben haben, alle – und dass wir sie einsetzen dürfen und sollen.
Der zehnte Sonntag nach Trinitatis ist der sogenannte Israelsonntag. Wir erinnern an die Zerstörung Jerusalems im Jahre 70 nach dem Aufstand der Juden gegen die Römer und daran, dass unser durch den Juden Jesus geprägte Glaube seine Wurzeln im jüdischen Glauben hat, in den Überlieferungen von Mose, König David, von den Propheten, in den Psalmen.
Wie begegnen wir Gott, fragt der elfte Sonntag nach Trinitatis – so wie der Pharisäer im Evangelium, der Gott dankt, dass er besser ist als andere – oder so wie der Zöllner, der eingesteht, wie viel er falsch gemacht hat? Dass eine Verwandlung möglich ist, davon redet der zwölfte Sonntag sowohl mit der Geschichte von der Heilung eines Taubstummen wie auch von der Bekehrung des Paulus. Entscheidend bei allem, was den Glauben ausmacht, ist die Liebe, die Liebe Gottes zu uns und die, die wir einander weitergeben können. Deshalb erzählt der 13. Sonntag das Gleichnis vom barmherzigen Samariter.


TEIL 5

Mitten in die Zeit der Sonntage nach Trinitatis, die alle ein eigenes Thema haben und so den christlichen Glauben mit unserem Alltag in Verbindung setzen, fällt das  Erntedankfest. Es wird am ersten Sonntag nach Michaelis, dem 29. September, gefeiert. So folgt auf die Erinnerung an den Erzengel Michael gleich der Dank an Gott für alles, was uns geschenkt wird, dass wir essen und trinken können, dass wir und alle Geschöpfe leben dürfen von und auf dieser Erde. In unseren Gottesdiensten verbinden wir diesen Dank damit, auch an die zu denken, bei denen es nicht reicht zum Leben, und mit ihnen zu teilen.
Am 31. Oktober, dem Reformationstag, erinnern wir uns an Martin Luther und seinen Versuch die Kirche seiner Zeit zu reformieren. Stattdessen entstand eine neue kirchliche Bewegung, die protestierte gegen die alten Verhältnisse – also die Protestanten. Sie stellten das Evangelium in den Mittelpunkt ihrer Verkündigung, die gute Nachricht, dass es keiner Vermittlung bedarf zwischen mir und Gott – ich darf ihm ganz direkt begegnen, und für diese Begegnung muss ich vorher nichts an eigener Leistung erbringen.
So ernst und ernsthaft wie dieser Mittwoch ist die ganze letzte Zeit des Kirchenjahres: drei Sonntage lang richtet sich der Blick über das Leben und unsere Zeit hier hinaus, erinnern uns daran, dass da noch etwas kommt, dass Jesus wiederkommt und wir ihm entgegengehen. Der vorletzte Sonntag wird heute auch als Volkstrauertag begangen, an dem der Opfer der Kriege gedacht wird. Er fällt genau hinein in die Friedensdekade vom drittletzten Sonntag bis zum Bußtag, in der an vielen Orten täglich für den Frieden gebetet wird.
Am vorletzten Mittwoch im Kirchenjahr feiern die Protestanten den Buß- und Bettag. Früher gab es sie oft in der Kirche, die Tage der Buße und des Betens, freitags oder mittwochs oder an beiden Tagen: immer wieder die Erinnerung daran, dass wir den direkten Draht zu Gott nötig haben, dass wir das Gebet im Alltag nicht vergessen dürfen und dass wir immer wieder umkehren und uns neu erinnern müssen, was es heißt, als Christen zu leben. Ein Tag ist uns geblieben von den vielen – und auch wenn die meisten von uns arbeiten müssen oder in die Schule gehen: Ein Gottesdienst am Abend wird dennoch gefeiert.
Der letzte Sonntag blickt dann zurück und nach vorn: zurück geht die Erinnerung an die Verstorbenen, der Totensonntag, und vorwärts schaut der Ewigkeitssonntag, nach vorn mit der Hoffnung auf ein ewiges Leben bei Gott. Beides prägt den letzten Sonntag im Kirchenjahr – und leitet damit wieder über in den Advent, in das Warten auf Jesus, in die Erwartung, dass Gott nicht erst später, sondern schon hier in der Welt sich sehen und erfahren lässt. 

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