Die Botschaft der Fresken

Der Summter Künstler Kurt Dittebrand – ein Maler als Mahner

Die ersten  Begegnungen mit den großflächig die Wände der Mühlenbecker Kirche schmückenden Fresken hatte ich in den Gottesdiensten meiner Konfirmandenjahre kurz nach dem Krieg, als wir, in Berlin wohnend, die Sommerwochenenden auf dem Grundstück am Jägerhof verlebten. Unter den Bildern beeindruckte mich, gleichsam die Überwindung des Todes durch die sprießenden Reben symbolisierend, der an einem Weinstock gekreuzigte Christus, darunter – unverkennbar – Martin Luther als Gärtner. Die künstlerische und besondere  zeitgeschichtliche Bedeutung der Arbeiten wurde mir dann erst in den 90er Jahren klar, als ich an der Dorfchronik arbeitete. 

Die Entstehung der Fresken fiel in die Mitte der 30er Jahre, als die Propaganda der Nationalsozialisten,  eine „Arisierung“ des  Christentums und die Befreiung von der „jüdischen Umklammerung“ fordernd, bereits viele Kirchengemeinden spaltete. Den Anhängern der „Bekennenden Kirche“ standen vielerorts die sogenannten „Deutschen Christen“ gegenüber. So auch in Mühlenbeck.   

Seit 1932 wohnte der Kunstmaler Kurt Dittebrand, entschiedener Gegner der Nazis und – wie der Mühlenbecker Pfarrer Ruhnke  –  Anhänger der „Bekennenden Kirche“, in Summt. Er war arbeitslos. Ruhnke und Dittebrands früherem Schöneberger Seelsorger von Rabenau  gelang es, Spendenmittel  reicherer Gemeinden aus dem Kirchenkreis für die Ausmalung der Kirche und damit eine Auftragserteilung für Dittebrand zu erwirken. Das Spendengeld war personengebunden, darum stimmten auch die Neinsager im Gemeindekirchenrat schließlich zu. Das Honorar wurde monatlich ausgezahlt, mit anfangs 150 Mark ein Hungerlohn. Nach dem Tod von Pfarrer Ruhnke (Januar 1937) musste der Künstler hart um eine letzte Rate kämpfen.

In die Vorbereitungen war die ganze Familie einbezogen worden; der in Summt lebende Enkel Gunnar Benisch. erzählte es unserem Fotografen Reinhard Musold: schnittmusterartig wurden die Muster für die Figuren und Gegenstände zu Hause auf dem Fußboden ausgebreitet und ausgeschnitten, bevor sie der auch für die gesamte Organisation allein verantwortliche Maler, anfangs bei bitterer Winterkälte auf einem schmalen Gerüst balancierend, an die Kirchenwände projizierte. Im Mai 1937 war die handwerkliche Arbeit erledigt.             

Dittebrand wählte neutestamentliche Gleichnisse vor allem aus dem bäuerlichen Bereich, die er, in sehr persönlicher Auslegung, reich mit Bibelzitaten in gotischer Schrift versah. Zeit- und situationsbedingt wurde der Maler hier zum Warner und Mahner, nicht abtrünnig zu werden, irdische Führer nicht über den himmlischen Vater zu stellen.

Beim Gleichnis vom Sämann, wo Dornen und Felsgestein (als Symbol des Bösen) das Aufkommen des Samens verhindern, hieß es in einem der zugeordneten Texte aus dem Galaterbrief: „Irret euch nicht,Gott läßt sich nicht spotten. Denn was der Mensch sät, das wird er ernten ...“. Beim Gleichnis vom großen Gastmahl (links Mitte), bleiben Stühle leer, alle Geladenen schieben persönliche Gründe vor, also werden die Siechen  und Lahmen zu Tisch gebeten. In der möglichen Auslegung also die, deren Leben im Dritten Reich für unwert erklärt wurde. In einer anderen Darstellung (über der Kanzel) stehen den törichten die klugen Jungfrauen gegenüber, die den Bräutigam – also Gott – mit  reich gefüllten Öllampen erwarten .

Gnade und Versöhnung werden symbolisiert in der Bildgeschichte (an der Empore) vom „Verlorenen Sohn“, der nach reuevoller Heimkehr vom Vater mit einem Festmahl empfangen wird. 

Es war ein Glücksfall, dass Pastorin Hedda Bethge 1986 den schon berenteten Glienicker Rudi Baudis als Restaurator für die stark vom Verfall bedrohten Gemälde gewinnen konnte – in einem wiederum nicht kirchenfreundlichen System ganz ohne staatliche Unterstützung. Für die Texte reichte das mühselig gesammelte Geld nicht. Weiß überstrichen wurden auch die Malereien an der Altarwand. Der Längsbalken des ursprünglichen schlichten großen Holzkreuzes hatte die Schafe von den der Verdammnis  preisgegebenen Böcken geschieden. Das Kreuz, wurmzerfressen, musste entfernt werden (von Auswärtigen, weil kein Mühlenbecker Hand daran legen wollte!), aber auch die Aussage war nicht mehr zeitgemäß.               

Die Religionspädagogin Manuela Albani hat den Dittebrand-Fresken eine wissenschaftliche Arbeit gewidmet. Sie sind  nicht die einzigen Werke, die der Künstler in Gotteshäusern unserer Region hinterließ aber ein besonders wertvolles Zeitdokument und zugleich für Brandenburg das einzige Beispiel einer  großflächigen Kirchenausmalung im 20. Jahrhundert.  Die Mühlenbecker Dorfkirche steht seit Januar1995 unter Denkmalsschutz. Kurt Dittebrand starb 1971 im Alter von 84 Jahren; er wurde auf dem Summter Friedhof begraben.

 

Text : Sigrid Moser

  

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